Freitag, 29. Juni 2007

Lou Reed's "Berlin" (Düsseldorf Diaries, Part 1)

Lou Reed bringt sein legendäres "Berlin" Album von 1973 auf die Bühne, mit Chor und Orchester.

Nur ein einziges Konzert sollte es in Deutschland geben, und wo wohl sonst könnte dieses stattfinden, wenn nicht in Berlin.

Als ich erstmals etwas darüber las, konnte ich es kaum glauben, doch der für die Aufführung angesetzte Termin (26.06.2007) passte mir leider so gar nicht in den Plan, denn ich hatte bereits ein Ticket für das Genesis Konzert in Düsseldorf, welches ebenfalls an genau diesem Tag stattfinden sollte.

Für einige Zeit spielte ich somit sogar tatsächlich mit dem Gedanken, mein Genesis Ticket zugunsten eines Lou Reed Tickets wieder zu verkaufen.

Kurz darauf wurde jedoch eine weitere "Berlin" Aufführung von Lou Reed angekündigt, und dieser Termin passte nun wirklich perfekt, sowohl was den Tag als auch was den Ort angeht.

So fuhr ich also am 25.06.2007 nach Düsseldorf, denn ebendort sollte Lou Reed am Abend in der PhilipsHalle auftreten, direkt an dem Tag vor dem ersten Genesis Konzert in der LTU Arena.

In Düsseldorf begab ich mich erstmal zu meinem Hotel, ehe ich dann mit der U-Bahn Richtung PhilipsHalle fuhr.

Dort angekommen musste ich aber leider feststellen, dass mein Sitzplatz bzw. die gesamte Sitzreihe gar nicht existierte.

Dieses zugegebenermaßen recht seltsame Problem wurde aber von einer sehr freundlichen Ordnerin schnell gelöst, so dass ich schließlich einen sogar noch weiter vorne gelegenen Platz am Mittelgang zugewiesen bekam.

Dem Konzerterlebnis stand nun also nichts mehr im Weg.

Zuvor wurde als eine Art Einstimmung ein von Lou Reed Musik begleiteter Naturfilm als Endlosschleife auf den Bühnenvorhang projiziert.

Dann war es auch schon so weit... Der Vorhang öffnete sich, und Lou Reed erschien auf der Bühne, mit ihm seine Band, ein Kinderchor und ein kleines Orchester.

Zu der Band gehört übrigens auch Gitarrist Steve Hunter, der bereits auf dem "Berlin" Album zu hören ist und auch bei vielen anderen Aufnahmen von Lou Reed mitgewirkt hat.

Ohne große Spielereien begann zuerst der Chor mit einer wundervollen Instrumentalversion von "Sad Song" als Einleitung zum ersten Teil des Konzertes, der Komplettaufführung des "Berlin" Albums.

Bis auf einen kurzen Zwischenruf während des Songs "Berlin" und dem Applaus zwischen den Songs lauschte das Publikum sehr andächtig und konzentriert der Musik des Albums, dessen komplette Liveaufführung nach immerhin 34 Jahren vielen wohl wie ein Traum vorkommen musste.

Lou Reed selbst, bekleidet mit einem schlichten T-Shirt und einer Jeans, übte sich eher in Zurückhaltung und überließ meist den anderen Musikern das Feld, was der Aufführung sehr zu Gute kam.

Er ist nun einmal kein Supertar, der um jeden Preis im Mittelpunkt stehen muss, sondern ein durch ein Leben voller Höhen und Tiefen geprägter Mann, der offenbar lieber seine Musik für sich sprechen lässt und auch vollkommen darin zu versinken scheint.

Seine Stimme trug viel dazu bei, die oftmals beklemmende Atmosphäre der Texte zu vermitteln, wirkte mal kraftvoll und voller Schmerz, mal hatte man aber auch schon fast das Gefühl, eher einem stillen Beobachter der Geschehnisse zu lauschen.

Wer das "Berlin" Album kennt, wird sicherlich wissen, welche bedrückende Faszination es zu vermitteln vermag, doch es live zu erleben, verstärkt diese Erfahrung sogar nochmals.

Die Endparts mancher Songs (z.B. "The Kids" und "Sad Song") wurden mantra-ähnlich wiederholt und frästen sich so regelrecht in die Köpfe des Publikums, welches wie gelähmt den aus den Boxen dringenden Klängen lauschte.

Schon lange nicht mehr habe ich bei einem Konzert ein derartig gefesseltes Publikum erlebt, sogar fotografierende und filmende Leute schien es so gut wie gar nicht nicht zu geben.

Ich selbst hatte zwar mein Fotohandy dabei, wäre aber niemals auf die Idee gekommen, auch nur einen Augenblick der "Berlin" Aufführung für ein Foto oder ein Video zu verschenken.

Das Bühnenbild wurde dominiert von Vorhängen mit einem großformatigen Bild des Künstlers und Filmemachers Julian Schnabel, welcher auch für die gesamte Inszenierung der Aufführung verantwortlich ist, deren Premiere übrigens bereits im letzten Jahr im St. Ann's Warehouse in Brooklyn, NY stattfand.

Auf dieses Bild wurde ein Film projiziert, der aus Elementen bestand, die sich auch in der Geschichte des Albums wiederfinden und den Gesamteindruck somit noch verstärkte, die Geschichte also auch visuell lebendig werden ließ.

Als nach einer guten Stunde die letzten Klänge des finalen "Sad Song" verklungen waren, dauerte es noch einen Moment, ehe das Publikum sich wieder in der Realität zurück wusste und begann, Lou Reed und seine Mitstreiter mit Standing Ovations zu feiern

Erst jetzt wurden dann doch auch die ersten Displays von Kameras und Handies in der Menge sichtbar.

Lou Reed stellte noch ausgiebig die Musiker und andere Mitwirkende vor, ehe sich der Vorhang wieder schloss.

Nun dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bevor es als Zugabe noch ein paar Highlights aus dem langjährigen Schaffen von Lou Reed zu hören gab, diesmal jedoch ebenfalls mit dem Kinderchor und dem Orchester.

Das eh schon stehende Publikum ging näher an die Bühne und wartete gespannt auf das nun Folgende.

Es begann mit einer energiegeladenen Version des Velvet Underground Klassikers "Sweet Jane", bei welcher besonders die stimmgewaltige Sängerin der Band ordentlich punkten konnte und auch Steve Hunter ein weiteres Mal seine Gitarre kräftig quälen durfte.

Auch in das Publikum kam nun erstmals so richtig Bewegung.

Ein Video von "Sweet Jane" und ein weiteres von der Bandvorstellung sind bereits in meinem Webalbum zu finden, von der Aufführung des "Berlin" Albums habe ich aus oben bereits genannten Gründen keine Aufnahmen gemacht.

Weiter ging es mit einer Gänsehautversion von "Satellite Of Love", bei welcher zuerst Bassist Fernando Saunders den Gesang übernahm, ehe dann Lou Reed und später sogar der Chor mit einstimmten.

Zum Abschluss gab es nun noch "Walk On The Wild Side", wobei sich ebenfalls der Chor als großer Gewinn herausstellte und ein wundervolles Saxophonsolo einem regelrecht die Tränen in die Augen trieb.

Nach diesem tollen Finale, wie es stimmiger eigentlich nicht hätte sein können, schloss sich der Vorhang dann auch endgültig.

Am Merchandising-Stand kaufte ich mir noch ein T-Shirt und ein Programm (für gerade einmal 3,- €), welches die Songtexte des "Berlin" Albums in den Sprachen aller Länder enthält, in denen Lou Reed mit dieser Aufführung gastiert.

Nach einem kurzen Abstecher ins Hotel ging es nun weiter in die Altstadt, um noch eine Kleinigkeit zu essen und dann den Abend in einer der vielen Kneipen gemütlich ausklingen zu lassen.

Aus der Kleinigkeit zu essen wurde letztendlich zwar ein großes Steak, doch das gemütliche Ausklingen des Abends hätte wohl gemütlicher nicht sein können.

Eher durch Zufall entdeckte ich in einer Seitenstraße eine kleine Kneipe namens "Em Pöötzke", aus welcher sanfte Jazzmusik auf die Straße drang.

In einem sehr schönen Ambiente spielten dort auf einer kleinen Bühne ein paar Herren richig entspannenden Jazz, wobei ich mir dann noch einige Gläser Altbier genehmigte.

Wer gerne Jazz hört, sollte unbedingt einmal einen kleinen Abstecher in diese Kneipe machen, wenn er mal nach Düsseldorf kommt, denn dort gibt es jeden Abend Livemusik.

Für mich ging es dann aber auch zurück ins Hotel, denn am nächsten Abend sollte ja schon das erste von zwei Genesis Konzerten folgen.

Ein ausführlicher Bericht darüber folgt in den nächsten Tagen in Form von Part 2 der "Düsseldorf Diaries".

1 Kommentar:

Michaela hat gesagt…

Hallo eine tolle Idee mit dem Bühnenvorhang. Seit Trainspotting ist bin ich ein Fan von Lou Reed.